„Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ Joh. 1,1
Alleine dieser Satz scheint dafür Sorge zu tragen, dass die Bibel, als Wort Gottes, zu Gott selbst erklärt wird. Wie widersinnig dies ist, liegt wiederum in genau diesem Satz. Von Anfang an, also weit vor der Bibel, am Anfang von allem, war das Wort bei Gott. Es bestand also bereits vor der Schöpfung. Die Bibel alleine kann also mit dem Wort Gottes nicht gemeint sein. Schauen wir uns die Bedeutung von „Logos“, griechisch, näher an, dann erschließt sich auch eine sehr viel weitere Bedeutung. Dass „Logos“ bis heute nur in „Wort“ übersetzt wird, ist wiederum erstaunlich. Und es wird wörtlich genommen. Mit fatalen Folgen.
Mir gefällt „Gottes Weisheit“ als Übersetzung am besten. Denn im Grunde ist es im Umgang mit der Bibel nicht anders. Nehmen wir sie einfach nur buchstabengetreu beim Wort, bleibt uns die Weisheit dahinter verborgen. „Alle Schrift ist gottgehaucht“ heißt es bei Paulus. Eine schöne Vorstellung, wie Gott seine Weisheit über die Menschen in die Schrift eingehaucht hat. Bei den vielen verschiedenen Sprachen, die es unter uns Menschen gibt, besitzt oder IST Gott also eine Sprache, die Weisheit einhaucht. Und da das „Wort“ von Anfang an bei ihm war, er das „Wort“ WAR und IST, hat Gott in alles seine Sprache hineingegeben. Ein Blick in die Natur, seine Schöpfung, öffnet für eine andere Sprache.
„Mysterien sind weiblich“ Friedrich Schlegel
Dieses Zitat bedeutet natürlich keineswegs, dass Mysterien nur Frauen offenstehen;), es braucht nur die Empfänglichkeit. So haben sich mir die Dinge über die Jahre ganz anders erschlossen. Als Frau suchte ich einen weiblich-spirituellen Weg, frei von übernommenen Dogmen und rein über den Verstand, irgendwann legte ich ganz bewusst alle Bücher beiseite. Wie lange blieb Frauen in der Geschichte auch nichts anderes übrig, war es ihnen doch untersagt, zu lesen oder zu studieren. Bis heute gilt das weltweit noch für viele Frauen. Konnte und kann Gott dann also nicht zu all diesen Frauen sprechen? Wohl kaum. Und ich wollte herausfinden, wie es gehen kann. Es wurde eine lange, vielschichtige Reise, die mich zum einen in alles führte, was es in mir selbst anzuschauen und aufzuräumen gab. Etwas, was ich später in vielem, wovon Jesus Christus sprach, wiederfand. Zum anderen lernte ich aus Gottes Schöpfung. Eine andere Sprache, wofür es braucht, alle Sinne einzustellen, zu empfangen. Der Körper, das Herz wird wie ein Seismograph, das Wahrnehmende „aufzuschreiben“. Die größte Herausforderung dabei ist, eine neutrale, absichtslose, erwartungsfreie, rein empfangende Haltung einzunehmen. In der Stille der Natur am besten zu üben.
Die Natur wurde lange Zeit regelrechte Lehrmeisterin für mich. Da schämt sich kein Baum dafür, dass er krumm gewachsen ist. Da ist kein Apfel böse und voller Sünde, nur weil er zu früh vom Baum fällt oder fault. Kein Gänseblümchen ist neidisch darauf, keine Rose zu sein. Ein Grashalm wächst nicht schneller, wenn wir daran ziehen. Alles unterliegt einer Hingabe und geheimnisvollen Lebensimpulsen, die selbst die Wissenschaft bis heute nicht erklären kann. Wer sagt den Kranichen, wann es Zeit für den Aufbruch ist? Eine noch so kleine Blumenblüte ist ein Wunder in sich. Was für für eine Liebe zu Details ist zu entdecken, an denen wir so oft achtlos vorübergehen. Es gibt Zeiten des Säens, und des Erntens, Zeiten des Wachsens, Reifens und Loslassens. Zusammenhänge werden wie von alleine auf einmal klar. Dabei wird ein assoziativ-verstehendes neben einem analog-logischen Denken geschult. Geht man mit einer inneren Frage absichtslos und offen in die Natur, können einem ganz wundersame Antworten gegeben werden.
„Man darf die Mehrheit nicht mit der Wahrheit verwechseln.“ Jean Cocteau
Dann sagte man mir, Gott ist nur in der Bibel zu finden. Nach allem, was ich vorher erfahren hatte, war es mir unerklärlich, Gott in nur ein Buch einsperren zu wollen. Natürlich hat Gott ganz offensichtlich dafür gesorgt, dass die Bibel in dieser Form entstanden ist. Wie wertvoll sie ist, wird unter „Glauben und Mystik“ ersichtlich. Ohne Bibel wüssten wir nicht von Jesus Christus, wie viele Kostbarkeiten sind in der Bibel zu finden. Doch ein Herangehen einseitig, logisch, buchstabengetreu rein über den Verstand verhindert das Erspüren von Gottes Weisheit und Wahrheit, die vielmehr zwischen den Zeilen zu finden ist, und unser Herz berühren möchte. Und eine ausschließliche Fixierung auf die Bibel, gepaart mir wortgetreuer Auslegung ist von vornherein für ein Schwarz-Weiß-Denken prädestiniert. Ein Kleben an Buchstaben lässt regelrecht Herzen mitverkleben. Mit verheerenden Folgen. Die Bibel kann regelrecht missbraucht werden, wenn Menschen eigene Ideologien und Vorstellungen in sie hineinlesen. Ohne Liebe ist alles nichts. Es steht in der Bibel. Doch alleine dieser Satz scheint die Herzen vieler nicht zu berühren.
Ich weiß noch, als der Freund meiner Tochter mit 17 Jahren starb. Ein Moslem. Ich erzählte dies einer sehr gläubigen Frau. Ihre Antwort war: „Tja, schade, leider kommt er nicht in den Himmel.“ Sollte ich das jetzt meiner Tochter sagen? Was für eine Herzenskälte und religiöser Hochmut. Doch genau das ist bis heute in weiten Teilen der Christenheit verankert. Befrage ich mein Herz, die Bibel und vorallem Gott, dann weiß ich, dass das niemals die Wahrheit ist. Begründet wird dies lediglich mit einer zurechtgelegten Bibelauslegung, die offenbar viele Christen wunderbar schlafen lässt. Da wird sich gegenseitig befeiert, zu den Erretteten zu gehören, währenddessen ihrem Glauben nach mindestens 80 Prozent der Menschheit in der Hölle oder Vernichtung landet. Die befreiende Botschaft von Jesus Christus wird verdreht in eine Drohbotschaft.
„Man kann die Bibel nur wörtlich nehmen oder ernst. Beides zugleich geht nicht.“ P. Lapide
Dass die Schrift gottgehaucht ist, ist etwas anderes, als wortwörtliches Verstehen. Im Grunde liegt es schon alleine auf der Hand, dass es etwas anderes braucht, wenn man alleine die x verschiedenen Bibelübersetzungen vor Augen hat. Welche von ihnen mag nun die „Richtige“ sein? Ist es überhaupt möglich, die Urtexte in ihrem gemeinten Sinn zu übersetzen? Ich verstand zunehmend etwas von dem „Ruach“, diesem Geist, diesem Hauch, auf den wir uns einlassen dürfen, wenn wir uns der Bibel nähern
Daneben gibt es inzwischen wertvolle Erkenntnise von Christen, Theologen und Bibelwissenschaftlern, die unermüdlich weiterforschen. So erschließt sich ein ganz anderer Blick auf die Bibel, Zusammenhänge mit Historie und Kontext, Hintergründe der antiken Weltsicht, die unterschiedliche Bedeutung von Wörtern der Ursprache, dass damit auch neue Antworten und ein Verstehen möglich wird. Daher habe ich unter Antworten finden verschiedene weiterführende Quellen und Webseiten verlinkt. Nicht mit dem Anspruch auf Vollständigkeit. Sondern um ein Bild dafür zu geben, dass es viele verschiedene Wege gibt, sich der Bibel zu nähern. Jeder darf und muss da seinen eigenen Weg darin finden.
Es ist herausfordernd, ohne Frage. Weil sich auch immer wieder neue Fragen ergeben werden. Aber genau das macht es für mich so lebendig und spannend. Und es gibt sie tatsächlich zu finden. Ganz andere Antworten. Wenn ich heute auf meinen Weg zurück schaue, verstehe ich in diesem Zusanmenhang, warum Jesus Christus sagte, solange ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr das Himmelreich nicht erblicken. Denn Kinder gehen in ihrer ganzen Unschuld und Unbedarftheit heran, voller Neugier und Wissensdurst, bedienen sich noch aller ihrer Sinne, was wir Erwachsene oft verlernt haben bzw. uns aberzogen wurde.
Wir können die Bibel auswendig lernen, tausende Bücher über sie lesen. Wenn unser Herz nicht versteht, geschieht all das, was unsere Kirchengeschichte in den Jahrhunderten an unsäglichen Lehren, Dogmen und Gesetzlichkeit hervorgebracht hat. Sie finden neue Wege, in den evangelikalen Kreisen, nur in schöneren Gewändern. Die Lehre von Jesus Christus ist vielmehr eine radikale Offenbarung Gottes, dessen Liebe uns aus jeglicher Gefangenschaft befreien möchte. Das ist nicht eng. Das ist sehr weit.
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