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Kinder und Himmelreich

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  • Beitrags-Kategorie:Allgemein
  • Lesedauer:7 min Lesezeit

Was an Jesus Christus so faszinierend ist, das ist seine einfache Sprache. Er gibt uns Bilder, Gleichnisse, und mit nur wenigen Worten durchbricht er unsere gewohnten Gedankenmuster. 

„Wahrlich ich sage euch, es sei denn, dass ihr umkehret und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.“ Matth. 18,3

Man muss sich mal vorstellen, wie solche Worte auf die studierten Rabbis gewirkt haben muss. Da setzen sie sich doch so tief mit der Thora auseinander, wissen alles über die Gesetze Gottes, über gottesfürchtiges Leben, die ganze Thora vielleicht sogar auswendig. Frauen waren davon natürlich ausgenommen. Patriarchat durch und durch. Und da wendet sich jemand nicht nur den Frauen zu, sondern sagt auch noch, sie sollten wie die Kinder werden. Wie bitte ist das denn zu verstehen?!

Das ist wohl nur zu verstehen, wenn wir uns Kinder einmal anschauen. Und ich schaue jetzt mal auf Kinder, wie sie sind, wenn wir Erwachsene sie auch wirklich lassen und ihnen nicht direkt unsere Denkstrukturen überstülpen. Sie sind zunächst durch und durch fühlende Wesen. Als Babies erst einmal völlig abhängig von den Eltern, dass diese ihnen Geborgenheit, Nahrung und Schutz geben. Sie leben ihren ganz eigenen Rhythmus, und zeigen sehr deutlich jegliches Gefühl von Unbehagen, ob Hunger, Müdigkeit oder das Bedürfnis nach Nähe. Und genießen, wenn diese Bedürfnisse gestillt werden. Ein Aspekt des frühen Kindseins. Voll und ganz abhängig zu sein. Etwas, was sehr dem erwachsenen Menschen widerstrebt. Er meint, er könnte alles steuern und hätte alles in der Hand. Ein ganz schöner Irrtum;).  

Und dann geht die Entdeckung der Welt los. Diese geschieht mit wahrhaft allen Sinnen. Mit dem Mund wird ebenso erforscht wie mit den Händen. Es wird befühlt, betastet, berochen, geschmeckt, gelauscht. Es wird in keinster Weise gedanklich beurteilt, es wird erlebt und erfahren. Ein unermüdliches Üben, Laufen zu lernen, x mal hinfallen hindert es nicht, es weiter zu probieren. Mehr und mehr entsteht die kindliche, magische Welt, in der alles lebt. Die Puppen, die Kuscheltiere, und es ist überhaupt kein Problem, alles was fehlt in der unsichtbaren Welt hinzufügen. Spätestens da greifen Eltern schon oft fatal ein mit einem „das gibts doch garnicht“. Werden Kinder von Eltern nicht beeinflusst, gibt es auch Null Rassimus in ihnen. Ob ein anderes Kind farbig ist oder nicht, spielt keine Rolle. Hauptsache, es spielt:). Und Kinder fragen. Wirklich alles. Sie wollen wissen, warum die Banane krumm ist, warum es Zähne putzen oder Hände waschen soll. Die Fragen sind oft so verblüffend, dass Eltern manchmal nichts dazu einfällt. Im schlimmsten Fall kommt ein „Frag nicht so dumm“. Was lese ich hingegen in der Bibel: „Prüft alles!“.

Mit Eintritt ins Schulalter geht es eigentlich schon los, dass Kindern in unserer Gesellschaft bereits jegliches magisches Sein abhanden kommt. Die Kreativität ist noch vorhanden, und hinzu kommt nun das Bedürfnis, mit dem Geist und Verstand etwas zu erfassen. Das ist wichtig und notwendig. Nur leider verlangt das System in erster Linie ein Übernehmen bekannten Wissens, ein Auswendiglernen, anstatt Kindern auch in dieser Phase zu erlauben, selbstständig Dinge zu ergründen. Gleiches gilt für das Glaubensleben. Lehren und Auslegungen anderer sollen übernommen werden. Und viele tun es unhinterfragt.

„Ich glaube an Gott, so wie ein Blinder an die Sonne glaubt. Nicht, weil er sie sieht, sondern weil er sie fühlt.“ Phil Bosmans

Was meint Jesus Christus, wenn er sagt, solange ihr nicht werdet wie die Kinder? Ich glaube, es geht genau um diese Qualitäten die ein Kind in den ersten Jahren seines Lebens zeigt. Es sind die Sinne, die hellwach wahrnehmen. Die in der Lage sind, das Göttliche wirklich in allem zu sehen, zu fühlen. Eine winzige Ameise kann ein Kind über lange Zeit beschäftigen. Mit ein paar Steinen werden Kunstwerke gebaut. Sieht es einen Marienkäfer bleibt es staunend stehen. Es erlebt die Welt zutiefst lustvoll, spontan, direkt. Es zeigt auch seine Gefühle völlig unverstellt. Es macht sich garnicht die Mühe, zu verbergen, dass es grade wütend ist. Kinder sind völlig authentisch und echt. Sie müssen nicht etwas darstellen, sie SIND. 

Kinder sind fühlend und wahrnehmend. Man kann ihnen nichts vormachen. Man könnte auch sagen, sie leben ganz im Hier und Jetzt und aus ihrem Herzen heraus. Sie lieben, was sie tun ganzkörperlich. Sie wissen, was sich gut anfühlt und was nicht. Sie haben eine völlig natürliche Einstellung zu ihrem Körper und lieben die Bewegung. Sie sind empathisch und voller MItgefühl, geht es jemandem schlecht. Und sie wollen wissen, warum das oder das von ihnen verlangt wird. Eltern werden genau da gefordert. In dem, was in ihnen selbst noch schlummert an eigener Erziehung. Ob sie dies nun unhinterfragt den Kindern weitergeben, oder ob sie es wagen, zu hinterfragen. Das dürfen auch geistlich Lehrende;).

Und hier kommen wir der Sache näher. Nehmen wir jetzt alleine diesen Satz von Jesus Christus wortwörtlich, hätten wir eigentlich schon alle verloren. Wie sollen denn wir Erwachsene wieder Kinder werden? Und nur so kommen wir in den Himmel?! Muss wohl anders verstanden werden. Im Grunde über unser Vater Unser. „Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.“ Der Kern von Gott und der Lehre von Jesus Christus ist die Liebe, damit verbunden ist der Wille Gottes. Dessen Reich nicht erst irgendwann dort, was wir uns unter Himmel vorstellen, geschehen soll. Sondern auch hier auf Erden. Das Hohelied der Liebe weist in die gleiche Richtung. 

„…und wenn ich alle Geheimisse wüsste und alle Erkenntnis hätte…hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.“ 1. Kor. 13,2

Es geht um eine Rückkehr in unsere fühlenden Herzensräume. Nicht umsonst wird das Herz mit dem Sitz der Liebe gleichgesetzt. Was möchte Liebe, wenn Liebe wirklich liebt? Ganz sicher keine unterdrückte, alles nachredende, pflichterfüllte Wesen. Sondern freie,  neugierige, lebendige, all ihre Sinne ausschöpfende Wesen. Welche in der Lage sind, die Liebe Gottes, die er in seine Schöpfung gelegt hat, zu erkennen. Dankbar annehmen, was ihnen geschenkt wurde, erkennen, dass sie in eine höhere Ordnung hineingeboren wurden. Die Sprache Gottes dahinter neugierig und fragend erforschen. Welche sich unverstellt und vorurteilsfrei begegnen, sich ehrlich und authentisch zeigen. Und welche lieben, was sie tun. Empathisch und mit Mitgefühl allem Lebenden gegenüber. Verbunden, ganz im Hier und Jetzt. 

Tja, da dürften wir wohl einiges erkennen, was uns im Laufe des Erwachsenwerdens abhanden gekommen ist. Und ganz besonders, wenn es um das Glaubensleben geht. Würden wir uns erlauben, darin wirklich zu werden wie die Kinder, dann sähe manches anders aus in der Christenwelt. Vielleicht sollte es so manches mal statt einer hitzigen theologischen Auseinandersetzung ein lustvolles Planschen in einem See geben. Kann man auch aufeinander losgehen, aber macht wenigstens Spaß. Und man stellt hinterher sehr viel leichter fest, dass es doch schön ist, dass es uns alle gibt;). Ebenso, dass unser aller Wissen nur Stückwerk ist. Gemeinsam lernen anstatt eines uns wohl schon in der Schule antrainierten Konkurrenzkampfes ist sehr viel konstruktiver. Kinder sind unbeeinflusst äußerst kooperativ, hilfsbereit und freudig Lernende.

Ansonsten hilft eines. Einfach mal Kopf und Verstand beiseite legen. Sich ein wenig so ein Kind vorstellen. Und sich erlauben, nicht nur zu erforschen. Sondern auch mal übermütig, bisschen verrückt das machen, was man eigentlich schon immer mal wollte. Sich erlauben, ganzkörperlich lebendig zu sein. Der Kreativität imd Sinnlichkeit wieder Raum geben. Mit nackten Füßen durchs Gras laufen, mit geschlossenen Augen den Vögeln lauschen. Die Wunder der Schöpfung wahrnehmen und beobachten. Dankbar im Herzen. Ganz still. Und vielleicht wird Gottes Stimme so wieder ganz anders hörbar 🙂