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Von der Gnade

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  • Beitrags-Kategorie:Allgemein
  • Lesedauer:7 min Lesezeit

„Glaube ist eine lebendige, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade. Und solche Zuversicht macht fröhlich, mutig und voll Lust zu Gott und allen Geschöpfen.“ Martin Luther

Einem großen Streitpunkt ist immer wieder zu begegnen. Was ist eigentlich die Gnade Gottes? Gibt es so etwas wie eine „billige“ Gnade? Ein sogenanntes Gnadenevangelium wird von verschiedenen Seiten scharf kritisiert. „Sola gracia“, allein durch Gnade, von Luther geprägt, angesichts der vorherrschenden Werkgerechtigkeit. Da müsse man ja ganz vorsichtig sein, heißt es dann. Da bleibt ja der Gehorsam Gott gegenüber völlig auf der Strecke. Es geht doch um das Einhalten der Gesetze und Gebote.  Denn wozu gibt es denn all die Gebote? Sind diese mit Jesus Christus etwa einfach aufgehoben? Wohl kaum, das würde ja bedeuten, dass Christen heute ruhig töten, ehebrechen, lügen, stehlen etc. können und dürfen.

Das mit der Gnade wird sich uns vermutlich ähnlich schwer erschließen, wie die Liebe Gottes. Wir schauen sehr menschlich. Und doch können wir uns über unser Menschsein etwas erschließen, sind wir doch als Ebenbild Gottes geschaffen. Als Kinder Gottes werden auch wir Eltern und bekommen Kinder. Und so wie Gott uns Nahrung, Fürsorge, Schutz und notwendige Regeln und Gebote gegeben hat, geben wir dies alles unseren Kindern ebenso. Die Frage ist, was geschieht, wenn unsere Kinder die gegebenen Regeln nicht einhalten?  Ähnlich wie Gott es tut, werden Folgen angekündigt, neue Regeln und Gebote aufgestellt. Und ähnlich, wie das auserwählte Volk Israel immer und immer wieder versagt, werden auch wir Eltern feststellen, unsere Kinder folgen zunehmend ihrem eigenen Willen.

„Liebe ist nicht das was man erwartet zu bekommen, sondern das, was man bereit ist zu geben.“ Katharine Hepburn

Jetzt sind wir Eltern gefordert. Unsere Liebe zu überdenken. Stoßen wir unsere Kinder von uns, wenn sie nicht mehr gehorchen? Oder irgendwann mit Auszug aus dem Elternhaus Wege einschlagen, die uns so garnicht gefallen? Wir Menschen verwechseln  Liebe ja gerne mit einer Art Tauschhandel. Ich liebe dich, wenn du mir dafür auch etwas gibst. Ich liebe dich nur, wenn du nur nett und liebenswert bist.  Auf uns Eltern angewandt wäre es so, liebes Kind, ich liebe dich nur, wenn du mir gehorchst. Ich liebe dich nur, wenn du so lebst, wie ich es mir für dich vorstelle. Eine sehr einfache, bedingende Liebe. Die nur lieben kann, wenn alles den eigenen Vorstellungen entspricht oder man davon auch etwas hat. Wehe, da ist jemand nicht nett zu mir, widerspricht mir oder verletzt mich. Dann ist es mit der Liebe vorbei. 

Es ist, als hätte Gott mitten in diese Entwicklung, die wie parallel dazu mit dem Volk Israel geschieht, hineingesprochen. Indem er über die Propheten jemanden ankündigen lässt. Den Messias, den Erlöser. Jesus Christus kommt. Der sich keineswegs denen zuwendet, die brav und gehorsamst alle Vorschriften einhalten. Ganz im Gegenteil. Er wendet sich all denen zu, die von genau diesen Selbstgerechten verstoßen werden. Den Kranken, Armen, Ausgestoßenen, Prostituierten, Mördern, Sündern, Frauen und Kindern, zu damaliger Zeit nicht minder anstößig. Er bricht Gesetze, um der Liebe und Gnade Vorrang zu geben. In Jesus Christus wird regelrecht die allumfassende Gnade und Liebe Gottes auf der Erde sichtbar. 

Er predigt die Feindesliebe und die Vergebung. Und das ist genau das, womit wir Eltern konfrontiert sind mit unseren Kindern, die gegen vieles verstoßen, was in unseren Augen richtig ist. Wir dürfen unsere Liebe ergänzen. Um die Gnade und die Vergebung. In diesem Moment wird Liebe um so viel größer. Sie hebt zwar das, was wir Eltern als gute Grundlage gelegt haben, nicht auf. Aber sie wird eine Liebe, die trotzdem liebt. Es ist eine Liebe, welche die Begrenzung der Bedingungen sprengt. Es ist eine erweiterte Liebe. Und genau dies hat Gott in Jesus Christus bewirkt. Eine Liebe, die sich dem Leid, dem Dunkel, dem Unvermögen der Menschen nicht entzieht, sondern mitten hinein geht. Die im größten eigenen Leid und Demütigung am Kreuz um Vergebung bittet für diejenigen, die dies verursacht haben. Eine größere Gnade ist nicht vorstellbar. Es ist eine Liebe, die nicht nur all das überwindet, sondern sogar den Tod.

„Das ist das Geheimnis der Gnade: Es ist niemals zu spät.“ Francois Mauriac

Können wir Menschen wirklich erahnen, wie groß Gottes Liebe und Gnade ist? Ich glaube, nur sehr bedingt. Ein wenig aus unserem eigenen Erleben mit Kindern. Mit unseren Partnern und Freunden. Aber eines können wir schon. Uns im Herzen berühren lassen von dem, was in Jesus Christus sichtbar wird. Weil es in uns diese Ahnung im Herzen gibt, die sehr genau spürt, dass hier der Weg der Erlösung zu finden ist. Und ich glaube, hier wird unser Christsein wirklich so richtig gefordert. Wir werden uns sehr genau prüfen dürfen, wie es in uns aussieht. Insbesondere mit der Gnade. Halten wir es aus, dass wir selbst uns bemühen, Liebende zu werden, während andere um uns herum machen, was sie wollen? Glauben wir, deswegen die besseren Menschen zu sein? Leben wir ein gottgefälliges Leben nur deswegen, weil wir uns unseren Platz im Himmel sichern wollen? Wünschen wir uns gar andere in die Hölle? Liebe, die unsere Bedingungen sprengen will, wird gnadenlos unentwegt den Finger hineinlegen. Es liegt an uns, ob wir dies zulassen. Es liegt an uns, ob wir Liebe lernen und leben wollen, um der Liebe selbst willen. Oder ob wir es tun, aus Selbstgerechtigkeit und Hochmut heraus, oder aus Berechnung für die Aussicht auf den Himmel.

Jesus Christus am Kreuz muss kurz vor seinem Tod keinerlei Ahnung gehabt haben, was geschehen wird. „Gott mein Gott, warum hast du mich verlassen?!“ Da gab es keine Absicherung mit der Aussicht auf die Auferstehung. Da gab es nur eine bedingungslose Hingabe. Und Vergebung und Gnade bis zuletzt. Und wer das mit der Reue und Buße zur Bedingung machen möchte für die Vergebung. Jesus Christus tut es am Kreuz nicht. Es ist auch eine bedingungslose Vergebung. Das dürfen wir verstehen lernen.

Müssen wir uns um billige Gnade Gedanken machen? Um Gehorsam und die Einhaltung von Gesetzen und Geboten? Nicht, wenn wir mal ganz bei uns selbst anfangen. Mit der Gnade. Der Liebe. Der Vergebung. Und es Gott überlassen, wie er in seiner Liebe, Gnade, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit auf andere Menschen schaut. Das Hohelied der Liebe gibt uns eine hohe Meßlatte an die Hand. Da heißt es sogar „sie rechnet das Böse nicht zu“. Das darf wirklich mal verinnerlicht werden. Ich traue Gott zu, dass es für seine Gnade wirklich niemals zu spät ist. Er wird auch noch nach dem Tod von Menschen Wege finden. Warum ich das glaube? Weil Jesus Christus mir eine Ahnung davon gegeben hat, wozu Liebe in der Lage ist. Und weil ich keinen Zweifel habe an Gottes Souveränität. Sein Wille geschehe. Wie im Himmel so auf Erden.

„Denn er will, dass alle Menschen gerettet werden und seine Wahrheit erkennen.“ 1. Tim., 2:4

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