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Der Kampf um die Wahrheit

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  • Beitrags-Kategorie:Allgemein
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„Ihr werdet die Wahrheit erkennen. Und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Joh. 8,32

Viele gibt es, die meinen, DIE Wahrheit zu wissen und zu vertreten. Vieles wird uns in den Medien als wahr präsentiert. Viele von uns ahnen und wissen, wie vieles davon nicht wahr ist. Insbesondere in Kriegsgeschehen wird gelogen, erreichen uns Falschmeldungen, werden gezielt Bilder erzeugt, um Menschen zu mobilisieren und zu manipulieren. Wem oder was können wir noch glauben? Das Misstrauen allem und jedem gegenüber ist ein tiefsitzendes Gift, unsichtbar in unserem Geist wirkend. 

Je mehr ich mich mit dem Nahostkonflikt beschäftigte, um so mehr begegnete mir dieses tiefsitzende Misstrauen. Wir sind wirklich herausgefordert, Quellen zu prüfen. Uns verschiedenster Quellen zu bedienen. Vorsichtig versuchen, uns ein Bild zu machen. Nicht vorschnell Schlüsse zu ziehen. Uns emotional möglichst nicht manipulieren zu lassen, sondern uns Zeit lassen, für mögliche Antworten. 

Der Anspruch auf DIE Wahrheit kann niemals Frieden schaffen. Gestern erzählte mir ein guter alter Freund von einem nachdenkenswerten inneren Bild. Gott sitzt oben auf einem Berg. Unten versuchen von unterschiedlichen Seiten her die Menschen zu Gott zu gelangen. Keiner kann ihn sehen, der Weg auf den Berg geht entweder durch Wälder, Schluchten, Flüsse oder einen Dschungel. Die Menschen haben verschiedene „Wegbeschreibungen“, Religionen, zu Hilfe die Tora, den Koran, das Evangelium. 

Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.“ 1. Kor.13, 9-10

Ein vermeintlicher Widerspruch, zur ersten Aussage von Jesus Christus, ihr werdet die Wahrheit erkennen. Doch was für ein Segen liegt in diesem Widerspruch. Es gibt auf der einen Seite eine Zusage, es lohnt sich, sich auf den Weg zu machen, Gott zu suchen, die Wahrheit. Die in IHM liegt. Und wir finden viele Hinweise über diesen Gott. Wegweiser auf den Weg zum Gipfel. Doch auf der anderen Seite werden wir sehr klar in unsere Schranken gewiesen. Nehme ich obiges Bild zu Hilfe, gibt es verschiedene Wege, manch einer führt weiter, manch einer endet, manch einer führt nicht hoch genug, manch einer kommt dem Gipfel sehr nah. Für mich persönlich ist die „Wegbeschreibung“ der Bibel und des Evangeliums von Jesus Christus aus gutem Grund der weiterführende Weg geworden. Doch ist jeder andere Weg zu Gott hin zutiefst zu respektieren. Wir alle werden vermutlich am Ende des Weges nochmal sehr überrascht werden.

Eines ist klar. Keiner wird Gott ganz sehen können, dazu müssten wir schon selbst auf dem Gipfel sitzen. So mancher meint allerdings, schon oben angekommen zu sein. Wie sehr wird gerne vergessen, wir sind Menschen. Alle auf dem Weg. Gottes Geschöpfe. Und niemals der Schöpfer selbst. Etwas, was auch in spirituellen Strömungen gerne übersehen wird, oder nur die „Sahnehäubchen“ jedes Weges genutzt werden wollen. Funktioniert nur nicht, denn so läuft man ja ewig zwischen den Wegen hin und her;). Dabei entstehen dennoch oder vielleicht sogar deswegen eine Menge kleiner „erleuchteter“ Schöpfergötter.

Leider auch unter Christen. Nur wenige Tage nach dem furchtbaren Attentat stieß ich im Netz auf das Video eines sogenannten bibeltreuen Christen. In welchem er namentlich andere Christen vorführte und zerlegte, völlig verzerrend mit jeweils nur kurzen Sequenzen aus deren Vorträgen Aussagen aus dem Zusammenhang riss, um sie der vermeintlichen Lügen zu entlarven und vor ihnen zu warnen. Einer, von leider vielen, der glaubt, DIE Wahrheit der Bibel zu kennen. Die von ihm angeprangerten Christen stehen für komplett das Gegenteil. Für eine offene, kritische, forschende Kultur eines lebendigen Glaubens und für ein unermüdliches Forschen. Aus sehr gutem Grund. Schauen wir uns einfach nur mal an, welche „guten“ Früchte das Christentum mit so manchen Dogmen und Gesetzlichkeit hervorgebracht hat. Dies immer mit dem Anspruch, ganz besonders „bibeltreu“ zu sein. Es gibt viele dunkle Kapitel in der Geschichte.

Was steht hinter so einem Video? Sehr viel Hochmut, und leider wenig Bibeltreue. Für die selbstgerecht Gläubigen seiner Zeit hatte Jesus die schärfsten Worte. Es brauchte viele Pioniere, Mystiker, Reformatoren, um unheilvolle kirchliche Machtstrukturen zu durchbrechen. Wie mit diesen im Laufe der Geschichte umgegangen wurde, wissen wir. Sie wurden angegriffen, verhetzt, oft getötet. Heute geschieht dies anders. Mit Rufmord. Ein wirklich trauriges Armutszeugnis in der Christenwelt. Wie viele Kommentare darunter, die mich schaudern lassen. Jesus Christus selbst wurde von den allzu Gesetzestreuen ans Kreuz gebracht. Sichtbar einmal mehr ebenso die Täuschung von YouTube Kanälen. Kritische Kommentare werden wegzensiert. Meine erschienen nicht. Und sicher andere auch nicht. So sieht Wahrheitsliebe aus?

Gleiches geschieht nicht minder im Islam und Judentum, dies sei hier nur am Rande erwähnt. Jegliches buchstabengetreue Folgen der Schriften in Selbstbezogenheit, ohne Einbindung in Kontext, Geschichte, Hintergründe und der Entwicklung darin, kann nicht nur viel Verwirrung stiften, sondern auch zu engen religiösen Dogmen, Vorschriften oder im schlimmsten Fall zu radikalisiertem Fanatismus führen. Oft wird auch Glaubensgut übernommen, ohne es in der eigenen Schrift und der Sinnhaftigkeit heute geprüft zu haben. Gleiches Spiel geschieht über bestimmte Medien. Mit ein paar Fakten, Parolen, Bruchstücken von Wahrheit sollen wir für eine bestimmte Haltung gewonnen werden. Vorsicht, wirklich Vorsicht. 

Wie gerne lassen wir uns täuschen und blenden. Nur was hilft denn wirklich, bei der Suche nach der Wahrheit? An erster Stelle ein sehr demütiges Eingeständnis. Keiner von uns kann auch nur ansatzweise den Anspruch erheben, DIE Wahrheit zu wissen. Jeder Gläubige darf sie einzig und allein Gott zusprechen.

Die heiligen Schriften sind nicht Gott selbst. Er spricht durch sie, ja. Nur wie wir die Worte in uns aufnehmen, verstehen und danach handeln, das hat Gott offenbar uns als Aufgabe gegeben. Niemals werden wir dieser gerecht, wenn wir uns nicht die Mühe machen, immer wieder neu zu lesen, zu prüfen, zu vergleichen. Uns auszutauschen. Voneinander zu lernen. Auch interreligiös. Natürlich kann nicht jeder ein Bibelwissenschaftler  oder Schriftgelehrter sein. Und so manch einer von ihnen verstrickt sich gerne in hohen theologischen, geistigen Auslegungen und darf vielleicht von Worten und der Weisheit eines ganz unbedarften Kindes aus dessen Sicht lernen. Nicht umsonst sagt Jesus, solange ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr das Himmelreich nicht erlangen. Doch auch dieser Satz ist nur Teil der Wahrheit. Und ich glaube, dass wir ihr am ehesten näherkommen, prüfen wir alles, was wir lesen und hören in unserem Herzen. Und da geht es nicht um ein Rechthaben. Nicht um Macht. Nicht um Berechnung. Und schon garnicht um einen Kampf. Da geht es um das Sehnen nach der Wahrheit und Liebe um ihrer selbst willen. 

Wir dürfen davon ausgehen, dass Gott seine Verheißung wahr werden lässt. Wann und wie auch immer.

„Welcher will, dass alle Menschen gerettet werden, und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ 1. Tim. 2, 4

Denn wir beten, DEIN Wille geschehe. Nicht MEIN Denken über dich. Misstrauen darf einem tiefem Vertrauen weichen zu Gott. Es wäre gut, wenn wir alle, nicht nur Christen, sondern auch Moslems oder Juden uns darauf immer wieder besinnen würden. Es bedarf für uns alle die Bereitschaft, zuzuhören und jederzeit lernbereit zu sein. Wir würden dem Frieden ein ganzes Stück näher kommen. Und sicherlich auch der Wahrheit. Ohne Demut gelingt das nicht. Ohne Liebe auch nicht. Ohne sehr ehrliche Innenschau auch nicht. Ein Kampf um die Wahrheit wird ihr nicht gerecht. „Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.“ Ich glaube, wir werden alle mehr als überrascht sein, wenn es kommen wird.

Die größte Herausforderung ist, währenddessen das Unvollkommene auszuhalten. Doch um wie viel mehr sind wir genau deswegen gefragt, uns in Liebe, einem gegenseitigem Verstehen und in Vergebung zu üben. Ebenso jedoch auch dem entgegenzustehen, wo die Menschenwürde und die Liebe aufs Schlimmste missachtet wird. Wahrlich keine leichte Aufgabe. Aber das hat ja Jesus Christus uns schon gesagt;).